Franziskus rettet Tiere

Zahlreich sind die Erzählungen, wie Franziskus Tiere vor der Schlachtung oder anderen Todesbedrohungen rettet.

 

Ein herausragendes Beispiel ist die Rettung zweier Lämmer in der Mark Ancona vor der Schlachtung:

Als ihn ein andermal sein Weg durch eben diese Mark [Ancona] führte und ihn wieder dieser Bruder frohen Sinnes begleitete, begegnete er einem Mann, der zwei Lämmlein, die an einen Strick gebunden waren, auf der Schulter zum Markte trug, um sie dort zu verkaufen. Als nun der selige Franziskus die Lämmer blöken hörte, wurde sein Herz von Erbarmen bewegt, er trat herzu, streichelte sie und bekundete ihnen herzliches Mitleid wie eine Mutter ihrem weinenden Kinde. Und er sprach zu dem Mann: „Warum bindest du so meine Brüder, die Lämmer, hängst sie auf und quälst sie?“ Der aber entgegnete: „Ich trage sie zum Markt, um sie zu verkaufen; ich brauche notwendig Geld.“ Und der Heilige fragte: „Was wird hernach mit ihnen geschehen?“ Darauf jener: „Die Käufer werden sie schlachten und essen.“ „Das sei ferne“, erwiderte der Heilige, „das soll nicht geschehen! Nimm statt des Geldes den Mantel, den ich trage, und überlass mir die Lämmer!“ Freudigen Herzens gab der Mann ihm die Lämmlein und nahm dafür den Mantel; denn er war weitaus wertvoller. Der Heilige hatte ihn erst an jenem Tage von einem treu ergebenen Mann geliehen, um sich vor der Kälte zu schützen. Nachdem der Heilige die Lämmlein erhalten hatte, überlegte er bei sich, was er mit ihnen anfangen sollte. Er fragte auch den ihn begleitenden Bruder um Rat und gab sie dann in die Obhut jenes Mannes zurück, mit dem Auftrag, sie nie mehr zu verkaufen und ihnen kein Leid mehr anzutun, sondern sie sorgfältig zu erhalten, zu nähren und zu hüten. [Thomas von Celano, Erste Vita 79, Übersetzung Anton Rotzetter]

 

Eine andere Geschichte berichtet die Rettung und Zähmung von Waldtauben:

Ein Junge hatte einst eine Menge Turteltauben gefangen und trug sie zum Markt, um sie zu verkaufen. Da begegnete ihm der heilige Franziskus, der immer ein besonderes Erbarmen mit sanftmütigen Tieren hatte, sah jene Tauben, blickte sie mitleidsvoll an und sagte zu dem Jungen: „O guter Junge, ich bitte dich, gib sie mir. Diese so unschuldigen Vögel, mit denen in der Schrift die keuschen, demütigen und gläubigen Seelen verglichen werden, sollen nicht in die Hände grausamer Menschen fallen, die sie töten.“ Auf Eingebung Gottes hin gab er sie sogleich alle dem heiligen Franziskus. Der aber nahm sie in seinen Schoß und begann mit ihnen liebevoll zu reden: „O ihr meine Schwestern Tauben, so einfältig, unschuldig und keusch, warum habt ihr euch fangen lassen? So will ich euch jetzt dem Tode entreißen und euch Nester bauen, auf dass ihr Frucht bringt und euch nach dem Gebot eures Schöpfers vermehrt.“
Der heilige Franziskus ging also hin und baute allen ein Nest. Sie aber benutzten sie und fingen an, vor den Brüdern Eier zu legen und sie auszubrüten. Sie waren so zahm und zutraulich gegenüber dem heiligen Franziskus und den anderen Brüdern, als ob sie Hühner wären, die immer schon von ihnen gefüttert wurden. Sie flogen niemals fort, bevor nicht der heilige Franziskus ihnen mit seinem Segen die Erlaubnis zum Fortfliegen gegeben hatte. Dem Jungen aber, der sie ihm gegeben hatte, sagte der heilige Franziskus: „Mein Sohn, du wirst noch Bruder in diesem Orden sein und Jesus Christus in Gnade dienen.“ Und so geschah es. Denn der Junge wurde wirklich Bruder und lebte im Orden in großer Heiligkeit. Zum Lobe Christi. Amen. [Fioretti 22; Übersetzung Anton Rotzetter]

 

Auch gefangene Fische liess er frei, wenn er es konnte:

Die gleiche Liebe und Zärtlichkeit hegte er auch gegen die Fische, die er, wenn sich ihm Gelegenheit bot, nach dem Fange wieder lebendig ins Wasser warf mit der Mahnung, sie sollten sich hüten, ein zweites Mal gefangen zu werden. – Als er eines Tages auf dem See von Rieti in der Nähe eines Hafenplatzes in einem Schifflein saß, fing ein Fischer gerade einen großen Fisch von der Art, die im Volksmund Schleie heißt, und bot ihn von Herzen dem Heiligen an. Heiter und freundlich nahm dieser den Fisch und begann ihn Bruder zu nennen. Er setzte ihn außerhalb des Schiffleins ins Wasser und fing an, andächtig den Namen des Herrn zu preisen. Und jener Fisch spielte eine Zeitlang, nämlich solange Franziskus im Gebete verharrte, neben dem Schifflein im Wasser und wich nicht von der Stelle, bis der Heilige Gottes nach seinem Gebet ihm die Erlaubnis gab wegzuschwimmen. [Thomas von Celano, Erste Vita 61; Mirakelbuch Vita 24; Übersetzung Anton Rotzetter]

 

Würmer las er von der Strasse auf, damit sie nicht zertreten würden:

Selbst gegen die Würmlein entbrannte er in übergroßer Liebe [...]. Deshalb pflegte er sie vom Weg aufzusammeln und legte sie an einem geschützten Ort nieder, damit sie nicht von den Passanten zertreten würden. [Thomas von Celano, Erste Vita 80, Zweite Vita 165; Übersetzung Anton Rotzetter]

 

Für Bienen sorgte er, dass sie nicht im Winter starben:

Was soll ich von den anderen niedrigen Geschöpfen sagen? Ließ er doch den Bienen im Winter Honig oder besten Wein hinstellen, damit sie nicht vor Kälte und Frost zugrunde gingen. Ihre emsige Arbeit und ihren vorzüglichen Instinkt pries er zur Ehre des Herrn so hoch, dass er oft einen ganzen Tag auf ihr und der anderen Geschöpfe Lob verwandte. [Thomas von Celano, Erste Vita 80, Zweite Vita 165; Übersetzung Anton Rotzetter]